Vidal Wagner

vidal wagner

Deutsche Architektenhonorare
Honoraris d'arquitectes a Alemanya

Architektenhonorare sind in Deutschland ein aktuelles Thema, da sie seit vielen Jahren – und auch heute noch – durch eine Verordnung auf Bundesebene geregelt werden, die jedoch hinsichtlich der Honorarminimum- und Honorarhöchstbeträge keine verbindliche Gültigkeit mehr hat Januar 2021.

Wir reden hier von der „HOAI“, Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Das Dokument gilt nur für Leistungen von Architekten und Ingenieuren mit Arbeits-/Steuerdomizil in Deutschland und sofern die Leistungen auch von Deutschland aus erbracht werden. Sein Äquivalent auf spanischem Gebiet wäre das teilweise aufgehobene Königliche Dekret 2512/1977 vom 17. Juni.

Die HOAI ist je nach Bauart (Städtebau, Landschaftsbau, Hochbau, Bauwerke, Ingenieurwesen usw.) in verschiedene Abschnitte gegliedert und sieht eine Reihe von Gebühren vor, die sich nach dem materiellen Ausführungsbudget und dem Schwierigkeitsgrad des jeweiligen Projekts richten. Lediglich die Honorare für Beratungsleistungen waren bereits vor Januar 2021 unverbindlich.

Vielleicht ist der Aspekt, der diese Regelung am bekanntesten macht, nicht die Tatsache, ob die HOAI verbindlich ist oder nicht, sondern die Struktur, mit der sie die Phasen des Projekts einteilt, auf Deutsch „Leistungsphasen“ oder abgekürzt „LP“. Es gibt neun „LPs“, denen ein Prozentsatz zugeordnet ist, der das Gewicht der Honorare im Verhältnis zu den Gesamthonorare für den kompletten Auftrag darstellt. Nachfolgend finden Sie die Liste mit den LPs neben den entsprechenden Phasen und dem Prozentsatz der Gebühren, die den Phasen des Projekts auf spanischem Gebiet entsprechen, sowie deren Prozentsatz der Gebühren im Verhältnis zur Gesamtsumme.

  • LP1 HOAI ist „Vorstudien“ (2 %) entspricht Spanien mit „Previsión de fondos“ (15 %) kombiniert mit „Estudios previos“ (5 %);
  • LP2 HOAI ist „Vorprojekt“ (7 %); entspricht Spanien mit „Anteproyecto“ (10 %);
  • LP3 HOAI ist „Basisprojekt“ (15 %), entspricht identisch seinem Äquivalent in Spanien „Proyecto básico“ (15 %);
  • LP4 HOAI ist eine „Genehmigungsplanung“ (3 %), in Spanien wäre sie im „Proyecto básico“ enthalten;
  • LP5 HOAI ist „Ausführungsplanung“ (25 %), entspricht identisch der entsprechenden Phase in Spanien „Proyecto de ejecución“ (25 %);
  • LP6 HOAI ist „Vorbereitung der Vergabe“ (10 %) in Spanien im „Proyecto de ejecución“ enthalten;
  • LP7 HOAI ist „Vergabe“ (4 %) auch in Spanien in “Proyecto de ejecución“ enthalten;
  • LP8 HOAI ist „Objektüberwachung“ (32 %), entspricht in Spanien mit „Dirección de obra“ (25 %); 
  • LP9 HOAI ist „Objektdokumentation“ (2 %) entspricht in Spanien mit „Liquidación y recepción “ (5 %).

Es müssen einige bemerkenswerte Unterschiede zwischen den Aufgaben eines Architekten in Deutschland und denen eines auf spanischem Territorium tätigen Architekten hervorgehoben werden. So sind die Strukturen, die Installationen, die Gesundheits- und Sicherheitsstudien, die Umweltstudie, das Abfallmanagement, die Energiezertifizierung, der Brandschutz, die akustische Zertifizierung oder die Vermessungsaufgaben, die einem auf spanischem Gebiet tätigen Architekten obliegen können, vogegen in Deutschland dafür externe Fachkräfte anvertraut werden. Diese Aufgaben können bis zu 21 % des Gesamthonorars ausmachen, daher muss dies beim Vergleich von Aufträgen in Spanien und Deutschland berücksichtigt werden.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Aufgabenstellung lässt sich ableiten, dass das Projekt in Spanien zu einem einzigen Preis eine ganze Reihe von Leistungen umfasst, wogegen in Deutschland extern beauftragte Spezialisten auf Ihrem Gebiet bezahlt werden müssen. Dies bedeutet eine Reduzierung der Gesamtkosten des Projekts in Spanien im Vergleich zu Deutschland, insbesondere wenn wir den Aufwand an Zeit, Wissen und Ressourcen berücksichtigen.

Es ist zu beachten, dass die HOAI-Tabellen gesondert für Gebäude-, Bauwerks- und TGA anzuwenden sind. Die letzten beiden würden an die zu diesem Zweck eingestellten Spezialisten gezahlt. Addiert man die Prozentsätze des “Presupuesto de Ejecución Material” (PEM) / Anrechenbare Kosten (AK), die diese drei Gruppen erwirtschaften würden, so ist es in Deutschland üblich, dass die Honorare aller beteiligten Techniker 8 oder 9 % des Gesamtbudgets der Arbeit (nicht PEM/AK) ausmachen, während in Spanien, wo in vielen Fällen nur der Architekt in Rechnung gestellt wird, der Prozentsatz die Hälfte betragen (4-5 %) kann.

Nach diesen Daten lässt sich sagen, dass bei gleichem Arbeitsaufwand die Architektenhonorare in Deutschland doppelt so hoch wären wie in Spanien. Logischerweise dürfen wir beim Vergleich der Berufsausübung nicht nur die Honorare als Referenz heranziehen: Gerade aufgrund der in Spanien üblichen Zusatzaufgaben könnte man sagen, dass sich die zivilrechtliche Haftung bei der Eingliederung der Statik und TGA im Leistungsangebot des Architekten verdreifacht .

Wie ich am Anfang des Textes bereits erwähnt habe, hat ein Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am 4. Juli 2019 entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze der *HOAI nicht mit der EU-Gesetzgebung vereinbar sind. In dem Urteil geht es ausschließlich um das gesetzliche Verbot der Unterschreitung der in den HOAI-Tabellen festgelegten Mindestsätze bzw. Überschreitungen der Höchstsätze, nicht aber um die Ausgestaltung und Zweckmäßigkeit der Regelung selbst; Das HOAI-Urteil öffnet die Tür zu mehr Wettbewerb, insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden internationalen Tätigkeit vieler Architekten, da diejenigen, die ihren Beruf in Ländern mit wettbewerbsfähigeren Honoraren als die deutschen Unternehmen ausüben, nun den Vorteil haben, sich nicht an  eine verbindliche Gebührenspanne anpassen zu müssen.

Dieser Trend ist auch in Spanien zu beobachten, wobei in diesem Fall die Herkunft in Länder verlagert wird (normalerweise in Osteuropa), in denen die Gebühren noch wettbewerbsfähiger sind als die Margen auf spanischem Gebiet. Kurz gesagt, die Liberalisierung des Marktes hat ihre positiven Seiten im Hinblick auf die Internationalisierung der Architektur, gefährdet aber auch die Lebensfähigkeit der Berufsausübung für diejenigen Architekten, deren Honorare durch Angebote aus anderen Ländern mit niedrigeren Kosten bedroht sind.

Artikel für den Blog der Auslandskorrespondenten der Architektenkammer Katalonien (COAC) Oktober 2022